Die Ethik der Liebe und der Lust

Die Ethik unseres Liebeslebens, egal wie wir es definieren, hat vielfältige Traditionen. Einstmals war die Sache ganz klar: Festgelegt war eine Art geheime Vereinbarung darüber, was „schicklich“ war oder was „man tat“ oder eben auch „nicht tat“. Man nannte dies die „Tugendethik“, weil sie wertvollen persönlichen Eigenschaften beruhte, nach denen jeder Mensch streben sollte. Auch die Religionen, namentlich vertreten durch die katholische Kirche, hatten eigene Ethikvorstellungen, die teils aus den Büchern das „Alten Testaments“ entnommen wurde und teils auf Apostelbriefen beruhten.

Eine Ethik, die nicht funktionierte: das "tugendhafte Leben"

Das Problem war: Es funktionierte nicht. Weder im Alltag noch in den Bereichen der sexuellen Lust. Die Maßstäbe der Tugend waren viel zu hoch angesetzt und die Begriffe des Schicklichen“ waren viel zu verschwommen. Daher suchte man nach einer Regelung, der alle Menschen mehr oder weniger zustimmen könnten – in Gesetzen, anerkanntem Verträgen und Richtlinien. Man hoffte inständig, dass sich damit der Streit um eine menschengerechte Ethik vom Tisch wäre – doch noch gab es Gesellschaftsschichten, denen solche Vereinbarungen fremd waren. Bald existierten mehrere Ethikentwürfe parallel – diejenigen, die auf Tugenden beruhte, solche, die auf gesellschaftlichen Übereinkünften beruhten und solche, die ewige Werte ins Feld führten, beispielsweise in der Religion.

Emanzipation und Freiheitsdrang

Je mehr sich Frauen emanzipierten, und je intensiver Menschen auf Selbstbestimmung beharrten, zerbrachen auch diese Horte der überkommenen Denkweisen. Die neue Theorie, die mindestens seit dem 21. Jahrhundert das tatsächliche Leben beherrscht, ist die sogenannte Diskursethik. In Alltagssprache übersetzt, bedeutet das Wort: Was zwischen zwei Erwachsenen sein soll und sein darf, wird miteinander in Freiheit und Gleichheit verhandelt. Ursprünglich erdacht, um Konflikte zu lösen, wurde es in der Sexualethik zum Zauberwort: Was zwei Erwachsen in freier, unbeeinflusster Weise verhandeln, ist für beide eine gewisse Zeit gültig. Selbstverständlich ist, dass alle diese Vereinbarungen nicht im Gegensatz zu geschriebenen Gesetzen stehen dürfen.

Die Ethik der Vereinbarungen existiert parallel zu anderen Vorstellungen

Besonders der letzte Punkt erschreckt alle, die auf eine gewisse Kontinuität hofften. Die neue Ordnung hat in Wahrheit eine weitere „parallele Ethik“ in die alte Diskussion eingeführt. Und so existieren heute neben tugendhaften und sozialen Ethik-Entwürfen auch individuelle. Es gilt, den eigenen Weg zu finden - unbeirrt von den lautstarken Predigern der einzelnen Richtungen.



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